Bis zum Jahr 1989 bedeutete mobiles Spielen, ein Gerät mit Piepssound (das die Eltern desöfteren in den Wahnsinn trieb) und einem vorinstallierten Spiel in den Händen zu halten. Die Technik dieser LCD-Games war limitiert, genauso wie die Spiele selbst. Dennoch erfreuten sich die kleinen Zeitvernichter in den Achtzigern größter Beliebtheit. Dabei machte es auch nichts aus, dass man die Spiele nicht austauschen konnte. Zwar hatte der Spieleriese MB schon 1981 die Idee, einen Handheld mit austauschbaren Spielen auf den Markt zu bringen, aber dem „Microvision“ genannten System wurde leider keine große Beachtung zuteil.

gameboy

Ein zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich unbekannter japanischer Konzern namens Nintendo hatte da mehr Erfolg. Die hauseigene „Game & Watch“-Reihe entwickelte sich zum Renner auf den Schulhöfen der damaligen Zeit. Trotz simpler Technik und lediglich einem Spiel pro Gerät fesselten die meisten Titel wie z.B. Donkey Kong ungemein. Die „Game & Watch“-Reihe geht auf das Konto von Gunpei Yokoi, der einer der bedeutendsten Mitarbeiter Nintendos wurde. Seine wohl wichtigste Erfindung ist das digitale Steuerkreuz, dass das Spielen nachhaltig revolutionierte. Yokoi war aber nicht nur ein bedeutender Ingenieur, sondern auch ein erfolgreicher Spieleschöpfer. So gehen auch die Metroid-Serie und Kid Ikarus auf Yokois Schaffen zurück. 1989 gelang Gunpei Yokoi sein größter Erfolg: Er entwickelte ein vollwertiges Videospielsystem, das austauschbare Spiele auf Modulbasis bot und flüssiges Scrolling ermöglichte – die Rede ist natürlich vom Game Boy.

Die Grafik wurde in vier Graustufen auf einem giftgrünen Display dargestellt, welches einem mangels Hintergrundbeleuchtung die Augen schmerzen lies. Doch der Verzicht auf ein beleuchtetes Farbdisplay hatte auch einen durchaus positiven Effekt: der Energieverbrauch des Game Boys wahr extrem gering, weshalb man bis zu 15 Stunden spielen konnte, ehe die Batterien schlapp machten. Doch im selben Jahr drohte Gefahr aus Amerika. Branchenveteran Atari präsentierte seinen 16-Bit-Handheld Lynx der erstaunten Fachwelt. Die grafischen Fähigkeiten des Lynx waren beeindruckend! So verfügte Ataris Wundergerät über ein Farbdisplay, das 16 Farben gleichzeitig – aus einer Palette von über 4000 Farben – darstellen konnte. Allerdings verbrauchte der Lynx so viel Energie, daß ihm schon nach etwa zwei Stunden der Saft ausging. Auch der Drittherstellersupport war ziemlich kläglich, weshalb vom Lynx nur etwa zwei Millionen Geräte verkauft wurden. Auch Segas Game Gear erging es nicht wesentlich besser. Nintendo hatte nämlich ein Ass im Ärmel: die Japaner kamen auf die brilliante Idee, den Knobelhit Tetris dem Game Boy gleich beizulegen. Dieses Spiel prägte wohl wie kein anderes die Zocker der frühen Neunziger und lockte selbst Menschen an den Handheld, die sonst nichts mit Videospielen am Hut hatten.

1990 erschien der Game Boy auch in Europa, wo er ebenfalls einschlug wie eine Bombe. Nintendos Strategie, eine günstige Hardware mit hochwertigen Spielen zu veröffentlichen, ging voll auf! Dabei griff Nintendo auf Spiele zurück, die bereits auf dem NES sehr erfolgreich waren: Mario, Zelda und Metroid bekamen sehr gute und erfolgreiche Game-Boy-Ableger. Auch für die Dritthersteller war der Game Boy ein rentables Geschäft, weshalb quasi alle wichtigen Entwickler auch den Nintendo-Handheld unterstützten. Konami erfreute die Spieler mit Castlevania, Probotector und Gradius (Nemesis), Capcom ließ seinen blauen Androiden Mega Man auf dem Game Boy gegen Dr. Wily ins Feld ziehen. Und Shooter-Spezialist Irem portierte sogar seinen Klassiker R-Type auf die kleine Konsole. Mit der Zeit beherrschte man die Technik des Handhelds immer besser. So sieht der zweite Teil der Super-Mario-Land-Serie grafisch schon wesentlich besser aus als der Erstling; er nähert sich durchaus der Grafik von Super Mario Bros 3 an. Das Ende der Fahnenstange war dann sicherlich erreicht als Rare mit Donkey Kong Land das erste gerenderte Game-Boy-Spiel auf den Markt brachte. (Die ganze Grafikpracht wurde allerdings durch mangelnde Übersichtlichkeit erkauft.)

1994 veröffentlichte Nintendo den Super Game Boy, einem Hardwareaufsatz für das SNES, der es ermöglichte Game-Boy-Spiele auf der Heimkonsole zu spielen. Dabei konnte der Spieler die vier Graustufen der Spiele nach Gutdünken einfärben. Mit der Veröffentlichung des Super Game Boys wurde gleichzeitig auch eine neue Ära von Game-Boy-Spielen eingeleitet. Von nun an wurden alle Titel speziell für den Hardwareaufsatz in Farbe entwickelt. Das erste Spiel, das vom Super Game Boy profitierte war Donkey Kong. 1995 brachte Nintendo seinen tragbaren Dauerbrenner dann in verschiedenen Gehäusefarben und in einer transparenten Version auf den Markt. Im selben Jahr standen US- und Europarelease von Sonys Playstation und Segas Saturn an. Beide Systeme boten technische Möglichkeiten, die man zuvor nicht kannte. Der Handheldmarkt verschwand erstmal aus dem Blickfeld des öffentlichen Interesses.

Japan hingegen wurde etwa zur selben Zeit von einem Hype erfasst, der einige Jahre später auch die westliche Welt nicht kaltließ: die Rede ist von Pokemon, einem RPG, in dem man putzige Kreaturen sammelt und sie gegen andere Pokemons antreten lässt. Die Pokemon-Spiele verlängerten nicht nur die Lebensspanne des Game Boys erheblich, sondern spülten auch Millionensummen in Form von Merchandise-Artikeln und einer erfolgreichen Zeichentrickserie in die Kassen von Nintendo. In den schwierigen Jahren, die für Nintendo folgen sollten, wurden die Pokemons sogar zur Haupteinnahmequelle. 1996 wurde das erste Hardware-Update des Game Boys herausgebracht. Der Game Boy Pocket verfügte über ein besseres Display und eine geringere Größe als sein Vorgänger. An der Technik selbst änderte sich allerdings nichts. Der Vater des Game Boy Gunpei Yokoi verliess etwa zur selben Zeit den Konzern als Folge des miserablen Virtual-Boy-Geschäfts. 1997 kam er unter tragischen Umständen bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Im Jahr 1998 erschien mit dem Game Boy Color (etliche Jahre nach Lynx und Game Gear) ein Game Boy mit Farbdisplay auf den Markt. An der altertümlichen 8-Bit-Technik änderte sich aber nichts Grundlegendes. Eine echte „Wachablösung“ erfolgte erst im Jahr 2001, als Nintendo den Game Boy Advance veröffentlichte. Der Game Boy Advance wurde auch gerne als tragbares SNES bezeichnet, da sehr viele Spiele Portierungen alter SNES-Hits waren. Mit dem legendären Vorgänger verbindet den GB Advance seine Abwärtskompatibilität und natürlich der Name, der schon längst für mobiles Spielen im Allgemeinen steht.

An diesen Punkt endet die Geschichte des klassischen Game Boys, der eine ganze Generation in Kontakt mit Videospielen brachte. Natürlich ist auch die Geschichte des Game Boy Advance und seiner verschiedenen Versionen wert, erzählt zu werden, doch das machen wir beim nächsten Mal.

(Gastautorin: Melanie Dirmeier)

Von RETRO