Wo mögen sie nur alle hin sein, die Leute, die Mitte der 90er Jahre z.B. im Computer-Flohmarkt eifrig schrieben, dass sie die Aufrüstspirale nicht mitmachen, ihrem WfW oder ihrem OS/2 treu bleiben, mit 16 MB RAM völlig zufrieden seien etc etc. Manche davon halten ihrem alten System vielleicht sogar noch ein klein bißchen die Treue, in dem sie es aus „nostalgischen“ Gründen virtuell auf ihren aktuellen Rechnern laufen lassen, andere sind halt komplett zur vermeintlich so großartigen Stabilität und Leistung der aktuellsten Systeme gewechselt (dies in jedem Fall häufig auf Kosten von Übersichtlichkeit und Transparenz des persönlichen Rechners.)

Ein Satz, den ich ja häufiger höre (nicht nur im Bezug auf DOS-Rechner) lautet in etwa „Sowas muß ich mir nicht mehr bieten lassen. Wir haben schließlich 2010…“ Und mit dieser Mentalität ist es natürlich schwierig, Interesse oder gar Entwicklung für ältere Sachen noch am Laufen zu halten. Das Problem ist doch auch, dass viele Rechner, auf denen DOS und Windows 3.1x noch „native“ laufen und die Hardware wirklich ausnutzen können, mehr und mehr komplett aus der Welt verschwinden. In der Mentalität nachwachsender Computerfans sind diese dann gar nicht mehr als „akzeptable“ Rechner vorhanden.

Natürlich kann man ein klassisches OS auch simuliert bzw. virtuell laufen lassen, aber die selbe Bindung daran wie auf einem echten Rechner findet so IMO nicht statt, es bleibt halt schlicht ein nostalgisches Kuriosum für nebenbei. Und wie schon geschrieben: auf einer kommerziellen Retrowelle wie der Amiga, C64 und diverse Nachbauten konnten 286er – 486er auch niemals wirklich mitschwimmen.

Ich merke das immer ein bißchen auch an eBay: das Angebot an älteren x86ern hat dort doch sehr stark nachgelassen und auch die Beschreibungstexte sind bisweilen sehr ärgerlich, werden doch z.B. selbst Oberklasse-486er gerne so dargestellt, als könnte man bestenfalls kurze Briefe damit schreiben oder sie gleich als Türstopper in die Ecke stellen. Die Unkenntnis der Möglichkeiten (und der Stolz auf diese praktizierte Unkenntnis?) unterhalb der Pentium-4-Schwelle ist da oft deutlich erkennbar.

Ich habe es jetzt auch wieder bei einem Hardware-Defekt gesehen: mein 17-Zoll-Röhrenmonitor war defekt, mit Baujahr 2004 natürlich ausgerechnet die mit Abstand neueste Komponente im System. Im Elektrogeschäft sehen sie einen nach dem Wunsch nach Reparatur natürlich erst einmal an, als hätte man seine Feuersteinaxt zum Nachschärfen gebracht, und wollen einen von dem frevelhaften Wunsch nach reparierter Röhrentechnik abbringen. Auch der Hinweis darauf, dass ich einen Monitor brauche, der mir alles von 320×200 bis 1024×768 halbwegs gleichbleibend darstellt, bleibt relativ unverstanden. Gut, am Ende habe ich den Monitor dann doch repariert bekommen.

Es ist halt eine Welt geworden, in der es schwer fällt, noch an klassischen PCs und deren Betriebssystemen festhalten zu können. Vermutlich kein Jahrzehnt zuvor hat IMO so herablassend und ablehnend auf die technologischen Ziele und Möglichkeiten früherer Jahre geschaut, wie es jetzt das 21. Jahrhundert tut. Und dieses Denken wird an eine ganze Generation weitervermittelt.

Die Organisationslosigkeit der „Oldie-PC-Szene“ (allein das Wort mag schon Übertreibung sein) ist natürlich ein echtes Problem. Im Bereich von Rechnern wie Atari oder C64 gibt es etliche Clubs, ständige Treffen, Entwicklungen und mehr. Oldie-PCs vom XT bis zum 486er haben niemals soviel Profil und soviel Bindung zum Gerät entwickelt, da sie immer eher Bündel von austauschbaren Komponenten waren und der Übergang eben fließend erfolgte. Es gibt sicher abertausende von Fan-Webseiten zu Homecomputern, aber wieviele gibt es zu Oldie-PCs? Ich erinnere mich, daß es mal eine englische 386er-Fanpage gab – mit Downloads & Co – aber ob die überhaupt noch existiert?

Diese Form der mangelnden Bindung war ja einer der generellen Vorwürfe, die die idealistischer gesinnte C64/Amiga&Co-Szene den DOSen-Usern in den frühen 90ern gemacht hatte. Wie mir scheint, stellte sich der Vorwurf eben auch als gerechtfertigt heraus, denn ein Großteil der PC-User war eben stets bereit, vorherige Hardware und komplette Geräte schnell zu entsorgen, sobald Neuigkeiten auf dem Markt waren.

Irgendwie fände ich es dennoch gut, wenn sich irgendwann auch mal eine Oldie-PC-Szene entwickeln könnte. Das muß gar nicht unbedingt auf DOS und 3.1x beschränkt sein, sondern generell auf eine gewisse Wertschätzung und ein Interesse an den langen PC-Jahren vor dem Pentium, die nun quasi für viele als Zeit primitiver Vorstufen gilt. Wie wäre es mit T-Shirts der Marke „My Computer is an 80486 – and proud of it“ oder Autoaufkleber wie „Mein Betriebssystem ist MS-DOS. P.S. Jepp, ich weiß, daß wir 2010 haben“ ;-).

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Von Chris Pfeiler

on allen Retro-Schreibern bin ich wohl derjenige, der das Thema am Persönlichsten vertritt. Ich habe privat keinen digitalen Lifestyle im modernen Stil, also kein Handy, iKram oder aktuelle Rechner. Viele Leute finden das zum Haareraufen und würden mich gerne „missionieren“, ich finde aber, daß einem ein sog. veraltet-analoger Lebensstil viele Ideen und Perspektiven vermitteln kann.

5 Gedanken zu „Oldie-PC-Szene?“
  1. vlt. liegt es auch einfach nur daran dass eine emulation dieser Systeme noch erheblich besser und problemloser läuft als bei den meisten anderen Systemen. Ich hatte zumindest noch nie Probleme BIOS-Images für meinen DOS-Emulator oder ähnliches aufzutreiben oder musste auf Spielemodule mit bestimmten Zusatzchips ganz verzichten.

    Auch hat ein 486 nicht sonderlich viel Charme, er ist halt doch weiterhin nur ein weiterer PC, eine weitere graue Kiste die rumsteht.
    Ein original, C64, SNES oder gar Spielhallenautomat hingegen vermittelt ein völlig anderes Bediengefühl. Man hat die original-Controller in der Hand, kann Software von den original-Modulen verwenden und kann auch die älteste Konsole noch immer gemütlich an den Fernseher anschließen.

  2. schöner artikel, allerdings schliesse ich mich der meinung von dr. tod an. ein pc ist ein pc. und bleibt auch ein pc. etwas das man am liebsten in der ecke verschwinden lässt. vielleicht ist der autor des artikels auch ein jahrgang später geboren. also ich bin brotkastengeneration und nur widerwärtig leistete ich mir irgendwann einen 386er, weil ich den auch beruflich nutzen konnte. aber gegen die leistungen des amigas war es ein dreckstück. von der programmierung zur damaligen zeit auch mal abgesehen. himem.sys… pc hat halt keinen eigenen charakter und wird es vermutlich auch niemals bekommen.

    denke bei den pcs ist es schon kult genug, wenn man so sachen wie wing commander im emu nochmal anspielen kann. da muss es nicht unbedingt der original escom(tm) bigtower fuer 3500dm aus dem jahre 1992 sein. imho.

    keep on rockin‘ for a free world

  3. Ich denke eher nicht, daß ich einen Jahrgang später geboren bin, auch meine ersten Rechner waren in den 80ern von Commodore (zuerst Plus/4, dann den Brotkasten – beide funktionieren auch noch und stehen in der Glasvitrine).

    Allerdings habe ich viel Sympathie für den PC in seinen älteren Erscheinungsformen, speziell wenn er auf eine Weise gesehen wird, die halt über das simple Rumklicken, Daddeln und Büroarbeiten hinausgeht. Der klassische Computer-Flohmarkt oder der kurzlebige PC-Heimwerker waren da in den 90ern schöne Zeitschriften. Das Interessante am PC ist doch gerade, daß mit einer unzureichenden Architektur und OS doch vieles geschafft wurde und daß z.B. auch Rechner wie 386er Dinge tun können, die man ihnen im Giga-Denken heutiger PC-Generationen gar nicht zutrauen würde (MODs mit OCP oder MOD4Win abspielen als nur ein Beispiel).

    Wieviel Charakter ein Rechner hat, hängt doch immer auch davon ab, welche Projekte, Erfolge, Versuche, Erinnerungen etc. der Anwender damit verbindet. Und da muß IMO auch ein älterer PC nicht unbedingt als ignorierbar „graue Maus“ ohne jede Bindung zum Anwender gesehen werden.

  4. Ich habe es vor ca. 5 Jahren selbst erlebt,

    Ich hatte einen superschicken, in einen für damalige Verhältnisse Top-Midi Gehäuse, komplett ausgestatteten (Win 95, CD-Rom, 16 MB usw), nicht vergilbten 486er, den ich aus Platzgründen abgeben mußte. Dreimal bei ebay versucht, gut
    beschrieben, für 1 Euro Startpreis, den zu versteigern.

    Keine Chance !!

    War wohl vielen die Versandkosten nicht wert,
    oder 1 Euro war zu viel, lol !!!

    Zum Wegwerfen war der mir einfach zu schade…

    Habe nach ein paar Wochen jemand gefunden, der WIRKLICH !! noch Verwendung dafür hatte.
    Der Mann hatte kein Geld, aber viel Erfahrung mit DOS usw. und hat sich richtig gefreut das er ihn mitnehmen durfte. Für lau, selbstverständlich. Einen alten 15 Zöller war ich dann auch los.

    Alte Dos Spiele zu emulieren war ja auch kein Problem mehr
    und ich spiele halt gerne auch mal was altes.

    Habe jetzt vorallem Probleme mit Spielen, die zwischen
    1997-2000, entwickelt wurden. Die laufen nicht unter XP, Win Vista/7, weil sie damals nicht für Win NT gemacht worden sind, und der Kompatibilitätsmodus juckt die auch nicht. Patch gibt es auch nicht.

    Da ist der Emulationsaufwand schon etwas größer. Hohe Rechenleistung, direkt3d, openGL, um einige zu nennen.

    Da muß dann doch ein alter P III her….

    Das eigentliche Problem ist doch meist Geld- oder Platzmangel. Geld gibt es nicht mehr viel, gerade im PC-Bereich, also in den Schrott.

    Habe letztes Jahr einen Ahtlon 1600er, 512 MB Ram, 120 GB FP, Brenner ect., für gerade mal 25 Euro losbekommen.

    Für gute C16 oder C64 mit ein bißchen Zubehör gibt es mehr Kohle.

    Leute die, gerade im diesem Bereich,
    lästern, wegen zu langsam, veraltet, usw, nehme ich
    nicht Ernst. Da wird viel Mist geschwätzt, wegen Ego-
    Problemen oder ähnlichem.

    Tut mir dann schon richtig leid, wenn da einer mal ein Problem mit seinem 5-6 Jahre alten PC hat und das bei den einschlägigen Seiten postet…

  5. …und kaufen sich dann auch aus diesen Gründen einen Neuen
    und schmeißen die alte Kiste weg.

    Deshalb gibt es auch kaum noch Verbundenheit zu seinem Computer mehr.

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