Was mir in letzter Zeit auffiel: ich habe eigentlich fast jedes Interesse an diesem modernen „Internet“ verloren. Das war nicht immer so. In den 90ern fand ich das ganze Internetzeugs eigentlich durchaus noch interessant und anregend. Das hatte sicher auch damit zu tun, daß es einmal ein sehr genügsames Medium war. Obwohl sich die Aufrüst- und Anpassungsspirale immer höher zu drehen begann, wenn man ab Mitte der 90er auch weiterhin „in“ sein wollte, reichte für das Internet sogar in Farbe und bunt lange Zeit ein 386er oder 486er mit 16-Bit-Kram aus (wenn man nur Text wollte, natürlich auch noch weit weniger).

Das einzige „Aufrüsten“, daß ich jemals für das Internet gemacht habe, war denn auch ein Wechsel vom 14.4er Modem zu meinem 56K-Modem (das Gleiche, daß ich noch immer verwende). Rückblickend gesehen war auch dieser Wechsel eigentlich unnütz, denn ich habe nie mehr als die Leistung eines 14.4ers wirklich gebraucht. Den ersten Hinweis auf eine zunehmend unschöne Entwicklung gab wohl die Einführung der AOL-Software 4.0. Die war plötzlich nur noch für Windows 95 verfügbar, und jede Einwahl mit Version 3.0 wurde von nun an mit der dicken Fragebox „WARUM SIND SIE IMMER NOCH NICHT UMGESTIEGEN?“ kommentiert. Auch andere Programmteile machten plötzlich Probleme mit der älteren Version und unterstrichen die penetrante Frage nur.

Irgendwann bin ich zu T-Online gewechselt. Da war doch schließlich auch die süße Susi18, die mir gemailt hatte, daß sie mich im letzten Chat echt nett fand, aber nun den Provider gewechselt hat und jetzt bei T-Online in der BTX-PartyLounge wäre ;-). Naja. Man muß der T-Online-Software zumindest eines zu Gute halten: ich kann auch heute noch mit der 16-bittigen Einwahlsoftware aus den 90ern problemlos online gehen. Okay, sie versucht bei jeder Einwahl eine Verbindung zum BTX bzw. zum CEPT-Port herzustellen, um nach Updates zu gucken. Das ganze BTX ist aber in den letzten Jahren unzuverlässig geworden und antwortet nicht mehr so wirklich ;-). Aber das macht ja nix, dieses www-Zeugs ist auch noch da. Wobei wir dort eben mittlerweile einen Stand erreicht haben, bei dem ein Rechner gleich als völlig nutzloser Sperrmüll gilt, wenn nur ein bestimmtes, überfrachtetes Forum nicht funktioniert. Und wie stand neulich noch ganz dick in den Leserbriefen der Tageszeitung: „Facebook hat doch heutzutage wirklich jeder. Geht ja gar nicht mehr ohne…“ Meh.

Tja, und wenn ich nun online bin, dann weiß ich irgendwie nicht mehr, was ich mit dem Internet noch anfangen soll. Das gilt jetzt nicht nur für mein privates Online mit 16-Bit-Browser (was eine…ähm…geringfügige Einschränkung der Möglichkeiten bedeutet), sondern auch für online mit sogenannten „modernen“ PCs und Browsern. Ich finde es einfach langweilig, was dort präsentiert wird. Früher machte es am meisten Freude, z.B. durch all die kleinen, privaten Homepages zu stöbern (AOL-Hometown war da ein nettes Spielfeld), ein bißchen Usenet zu machen, lustige oder informative txt-Dateien zu finden oder kewle Freeware für DOS oder gut komponierte mod-files herunterzuladen oder was auch immer. Ich habe in einer Kiste kürzlich eine CD-Kollektion gefunden, auf der Tausende von Dateien aus den Jahren 1990 bis 1993 drauf sind, also Mailboxzeugs, Compuserve etc. Und das Material hat mich wieder daran erinnert, was mir am Internet mal Freude gemacht hat – der Zugang zu Kreativität im „Think Kilobyte“-Bereich und zu der Erkenntnis, daß der größte kreative Schatz auch in einer txt-Datei etc. stecken kann.

Wenn man heute online geht, dann hat man ein stromlinienförmiges, medial gestyltes Etwas aus facebooks und twitters und youtubes und googles und sonstwas. Ich kann damit nichts mehr anfangen. Ich habe kein Interesse daran, mich mit Informationen und Datenmassen überfluten zu lassen. Ich habe ebenso wenig Interesse daran, mir irgendeine Mentalität des digitalen Ausfilterns anlernen zu lassen oder dies gleich maschinell zu automatisieren. Ich habe kein Interesse daran, Daten und Medien zur Beliebigkeit und zur gesichtslosen Masse degradiert zu sehen. Ich habe kein Interesse an einer medialen Frontaldigitialisierung und an Gigabyte-Denken. Ich habe kein Interesse an einem Web, daß „innere Werte“ an Design, Standards, Style, Reputationspunkten und „I Like“-Buttons misst. Also, was bleibt noch übrig?

Inzwischen steht mein 56K-Modem die meiste Zeit im Schrank. Und da steht es auch gut. Und sollte es mal defekt sein oder T-Online den Zugang per Modem ganz abschalten (man würde vermutlich 2 Tage vorher darüber informiert, so wie es auch bei der Abschaltung des Usenet-Servers gesehen ist), so wäre mir dies wohl auch nur noch ein müdes Achselzucken wert. Eigentlich schade.

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Von Chris Pfeiler

on allen Retro-Schreibern bin ich wohl derjenige, der das Thema am Persönlichsten vertritt. Ich habe privat keinen digitalen Lifestyle im modernen Stil, also kein Handy, iKram oder aktuelle Rechner. Viele Leute finden das zum Haareraufen und würden mich gerne „missionieren“, ich finde aber, daß einem ein sog. veraltet-analoger Lebensstil viele Ideen und Perspektiven vermitteln kann.

Ein Gedanke zu „Internetgedanken“
  1. Ich verstehe diese Fixierung auf den alten 386er nicht so ganz. Selbst wenn es nicht ein QuadCore mit Super Duper GeForce Grafik sein soll, es gibt so viele unzählige interessante Hardwareentwicklungen abseits des Mainstreams wie den Raspberry Pi, der auf Minimalismus anstatt auf Hardware-Monster getrimmt ist. Um nur ein Beispiel zu nennen. Trotzdem kann man damit auch mal ein Video im Netz gucken. Und es gibt nicht nur YouTube und lustige Katzenvideos. Wie man das Medium nutzt, ist letztendlich jedem selbst überlassen.

    Ich begrüße die Informationsflut des Internets ganz ausdrücklich! Es wäre furchtbar, wenn NICHT jeder einfach so Informationen im Netz bereitstellen und abrufen könnte. Wer sich über die scheinbar nicht zu bändigende Flut an Informationen beschwert, der ruft letztendlich nach einem Zensor, der die Informationen vor-filtert und entscheidet, was „gut“ für’s Volk ist, China lässt grüßen.

    Wenn man nicht jeden Trend mit machen will, das finde ich gut. Aber wenn man die Zeit anhalten will – das eher nicht.

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