Winnie Forster schrieb für CHIP.de ein kleines Stück zum 25sten Geburtstag des Commodore Amiga 500. Insgesamt eine unterhaltsame Sache, aber drei Aspekte lassen mich doch stutzen:

1. Kann man den Amiga 500 wirklich als „letzten Volkscomputer“ bezeichnen? Diese Bezeichnung halte ich inhaltlich für so schwierig, daß jenseits des C64 eine Betitelung anderer Systeme vielleicht besser gar nicht erst versucht werden sollte. Denn erstens erscheint der Erfolg des C64 ziemlich einzigartig und zweitens wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nahezu unmöglich sein, hier eine mehrheitskompatible Definition hinzubekommen, die über den 64er hinaus anwendbar erscheint. (Bei diesem ist es letztlich ja auch „nur“ die schiere Masse an Geräten, die in nahezu unveränderter Form – und selbst das dürfte schon kein unumstrittener Punkt sein – auf den Markt kam und den Rechner deshalb entsprechend einzigartig erscheinen läßt und den Amiga selbst dann noch bei weitem übertrifft, wenn man alle (!) Amiga-Modelle zusammenfaßt, siehe hierzu bspw. das C64-Wiki) Mit dieser Begrifflichkeit generiert man vielleicht eine flotte Headline – mehr halte ich jedoch für äußerst schwierig.

2. Forster schreibt: „Bis heute ist strittig, ob das „Cracken“ von Amiga-Software (die Beseitigung des Kopierschutzes) und das dadurch mögliche massenhafte Kopieren kommerzieller Spiele das Ende der Firma Commodore einleitet, oder ob es im Gegenteil die Grundlage für den Amiga-Erfolg ist, weil dadurch die Computerei für Millionen erschwinglich wird.“ Ich bezweifle, daß das wirklich strittig ist – denn es dürfte in diesem Zusammenhang schlicht kein entscheidender Aspekt sein. Überlegungen dieser Art höre (lese) ich an dieser Stelle zum ersten Mal. Bisher war die Mehrheitsmeinung, daß gerade diese enorme Verbreitung von (gecrackter) Software Systeme wie den Amiga deutlich gepusht hat. (Und das Phänomen an sich ist nicht neu, sondern bereits auf dem C64 ein Riesenthema gewesen. Nach Forsters Logik müßte dann ja bereits der C64 zum Niedergang seines Herstellers beigetragen haben, was bekanntermaßen keineswegs der Fall war.) Ich bin bisher davon ausgegangen, daß die völlig absurde Idee von Commodore, eine eigene (sehr teure) PC-Marke um jeden Preis durchzusetzen für den Niedergang verantwortlich war, weil das Geld, welches mit dem Amiga verdient wurde, dort versenkt worden ist. Daß Raubkopien für den Niedergang eines Systems verantwortlich sind, klingt für mich eher nach Print-, Musik- oder Filmlobby als nach Amiga-Realität.

3. „Leider bleibt der Amiga 500 die letzte gute Idee von Commodore.“ Wieder so ein Satz, der mich aufhorchen läßt. War nicht der Amiga 1200 ein System, welches – wie oben bereits erwähnt – nur deshalb mit in die Tiefe gerissen wurde, weil Commodore sich zu sehr dem PC-Markt verschrieb? Details dazu aus dem englischen Wikipedia-Artikel zum A1200 bekräftigen diesen Eindruck: „Commodore had initially been working on a much improved version of the original Amiga chipset, codenamed „AAA“, but when development fell behind they rushed out the less improved AGA found on A1200″ Genau daran erinnere ich mich auch: durch den Abzug des Geldes in die PC-Sparte fehlte es in der Amiga-Abteilung an allen Ecken und Enden. Commodore hatte also keinen Mangel an guten technischen Ideen, sondern es mangelte an einer entsprechenden Strategie. Forster erwähnt dies im Übrigen im weiteren Verlauf seines Artikels selbst: „Commodore fehlen längst die Marketing- und Vertriebsmuskeln, um gegen Sega und Nintendo, IBM und Apple zu bestehen – eine Ära geht zu Ende.“

Was denkt ihr?

Avatar-Foto

Von Stephan Humer

Mitbegründer und -herausgeber von Magazin und Website. Und das, ohne das Label „Generation C64″ wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Mag es, über die Grenzen der Chips hinauszuschauen.

8 Gedanken zu „RETRO-Lounge [92]: 25 Jahre Amiga 500 – wirklich der „letzte Volkscomputer“?“
  1. Der A500 war in der Tat die letzte gute Heimcomputer-Idee von Commodore. Das Unternehmen machte von nun an einen Fehler nach dem nächsten und nur die Tatsache guter Abverkäufe des A500 und auch noch des C64, ermöglichten es Commodore, so lange trotz Fehlentscheidungen durchzuhalten.

    Zumal man auch festhalten muß, dass der A500 sogar nichts weiter war, als ein Abfallprodukt des A1000, der wiederum niemals wirklich Fuß fassen konnte, da er zu teuer war. Genauso erging es allen Profi-Computern von Commodore. Allesamt sehr interessante, aber teure Produkte, die keine breite Käuferschicht fanden. Somit ging man wieder in den Tastaturrechner-Bereich, den man ja schon gut von dem VC-20 oder dem C64 kannte, um dort den großen Erfolg zu haben.

    Während der A1000 bzw. der A500 damals zumindest kurzzeitig enorm interessante, leistungsfähige Wundermaschinen waren, konnte Commodore niemals wieder das große Staunen hervorrufen. Zu lange beackerte man den Markt mit identischer Amiga-Technik und ließ nur zögerlich kleine Verbesserungen zu. Der A4000 und sein kleiner Bruder A1200 waren damals interessant, aber hatten keinerlei Vorsprung mehr zu Konkurrenz, im Gegenteil! Der Wunderstatus war längst Vergangenheit.

    Die Zeit der Volkscomputer war lange vorbei und der graue, langweilige aber standardisierte IBM-PC hatte den Markt voll im Griff.

    Zuletzt möchte ich betonen, dass ich dies als ehemaliger Amiga-Fan sage, der dem System bis ins Jahr 2000 die Treue hielt. Zuletzt besaß ich einen mühsam erkauften, bis an die Zähne hochgerüsteten A4000, der mich insgesamt ca. 12.000 Mark gekostet hat. Ich schreibe das nur, weil ich keine Lust habe, als negativ eingestellter PC-Fan dargestellt zu werden.

    Mein Missmut rührt von der permanenten, hohlen und frechen Mutmacherei von Commodore, die mich so lange durchhalten ließ.

    Allerdings war es nicht nur das Unternehmen Commodore selbst, das den Niedergang zu verantworten hat, das waren auch so manche User, die sich weigerten, ihre stagnierenden Kisten aufzurüsten und auch noch anno 1995 mit A500 nebst lachhafter 512MB-Erweiterung unterwegs waren. Hier ist nämlich ein weiterer Sargnagel zu finden: Mangelhaftes Interesse vieler User, ihre Maschinen zumindest halbwegs aktuell zu halten.

  2. Ich vermisse die alten Tage jedenfalls sehr. Da war noch richtig Wettbewerb: Amiga, Atari, Apple, Acorn … – alle hatten interessante Rechner am Start (die ich mir damals großteils nicht leisten konnte). Heute spiele ich noch ab und an mit dem AmigaEmulator von Cloanto. Ich mochte die einfachen Spielideen – vier Richtungen plus ein oder zwei Feuerknöpfe; das war gut handhabbar.

    Der PC fällt als Spiele-Plattform aus – die Kopierschutzmechanismen greifen leider viel zu tief ins System ein und verhalten sich dabei wie Malware. Außerdem mag ich kein Online-Gedöns und Apps/Stores sind mir erst recht zuwider. Bleiben nur die Konsolen; aber bei den Handhelds wird es auch zum großen Sterben kommen, weil die Kids heute alles auf dem Smartphone haben.

    Der Amiga war ein tolles System – nur zum produktiven Arbeiten gab es damals zu wenig gute Anwendungen (außer Grafik). Zum Daddeln war der Amiga phänomenal. Ich könnte stundenlang über Spiele-Klassiker von Team17, Factor5, CoreDesign, Psygnosis u.a. quatschen. Viele davon würde ich mir in etwas zeitgemäßerer Optik nochmal kaufen. Hin und wieder taucht ja mal ein Spiel auf, dass alten Charme in neue Zeit rettet; wie zuletzt XCOM Enemy Unknown. Ansonsten bleibt zu bemerken, dass ich wohl einfach nicht mehr zur relvanten Zielgruppe gehöre.

  3. Der Amiga 500 bleibt für mich das beste Computer(spiele)system aller Zeiten!
    Zum Niedergang hat neben den von Stephan bereits erwähnten Punkten sicherlich auch der Siegeszug von aufwendigen 3D-Games wie DOOM und Konsorten beigetragen – kurz darauf kamen dann ja auch schon die 32-Bit-Konsolen, die dem Amiga den Rest gegeben haben.
    Für mich bleibt er unvergessen!

  4. @Alex: Ganz viel Zustimmung, v.a. in Sachen A2000, Aufrüstung, Commodore-Hinhaltetaktik usw. Das deckt sich alles mit meinen Erfahrungen. Leider. Ich denke allerdings auch, daß tatsächlich die Zeit der Volkscomputer nicht mit dem A500 endete, sondern daß das doch eher ein C64-Erfolg war – und wohl auch immer bleiben wird.

    @Ronnie: Nicht nur du vermißt diese Erlebnisse ;-)

    @Kai und Oliver: Ja, wir sind heute wohl sehr dankbar, dabeigewesen zu sein. Das war früher so freilich nicht absehbar, auch wenn man aufgrund der eigenen Euphorie sicher oftmals so gedacht hat. Aber heute können wir uns glücklich schätzen. Immerhin etwas ;-)

  5. Es gibt da einen netten Film: „The Deathbed Vigil“ über die letzten Tage von Commodore USA. In diesem wird während einer Tour durch die Commodore-Büros an ihrem letzten Tag auch ein funktionierendes AAA-Chipset gezeigt.
    Das Problem von Commodore lag tiefer als die PC-Abteilung, diese gab es schon lange vor dem Amiga und parallel zu seiner gesamten Schaffenszeit. (Commodore PC10-III waren übrigens häufiger als Schulcomputer anzutreffen)
    Der mangelnde Innovationswille und die fixe Struktur des Systems waren es, die den Amiga wie die anderen Heimcomputer sterben ließen. Sie starteten auf einem enorm hohen Level was einige Teilbereiche (Grafik, Sound) anging, wurden aber schnell von reiner Rechenleistung im PC-Bereich überflügelt (insbesondere im 3D-Bereich). Dies, gekoppelt mit den unglaublich hohen Preisen für Zusatzhardware wie Turbokarten, Ram-erweiterungen oder Festplatten machte den Amiga für ernsthafte Anwendungen bald uninteressant, zumal ja immer gefordert wurde das alle Software möglichst auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ( = ECS-Chipset mit 1MB Ram) laufen sollte, man wollte sich den eigenen Markt ja nicht künstlich verkleinern.
    Über Spiele wie Red Baron (auf dessen Packung eine dringende Empfehlung zu einer Turbokarte prangte) oder Links (welches eine Festplatte zwingend voraussetzte) wurde sich in der Fachpresse nur aufgeregt. Legte Origin seinem Strike Commander ein Poster mit der Aufschrift „Der Intel DX2-Prozessor – können Sie ohne ihn überleben?“ bei hat man gegrinst, gejubelt, und neue Hardware bestellt.

    Auf dem PC-Markt wussent die Käufer rasch dass sie gewisse Spiele später mit einem neuen Rechner in besserer Qualität spielen können ohne dass sie das Spiel ansich neu kaufen müssen. Auf dem Amiga war soetwas fast nie möglich. Dies, und die fallenden Hardwarepreise im PC-Segment durch den offenen Herstellermarkt und damit großen Konkurrenzdruck, trug dann dazu bei dass sich schon in den späten 80ern in den USA die Spieleindustrie viel stärker auf den PC konzentrierte (der Amiga hat dort eh nie groß Boden gutgemacht, lediglich England war bis zuletzt eine treue Bastion). Limitierungen beim Speicherplatz (Monkey Island 2 brauchte wenn ich mich recht entsinne 12 Disketten und war damit in Produktion und Vertrieb sehr unprofitabel) waren dann der Todesstoß.
    Wären die technischen Möglichkeiten schnell genug vorangetrieben worden, also CD, Ram-Ausbau, Prozessorupgrades, dann wäre uns der Amiga noch länger erhalten geblieben. Durch die Billigversionen 500, 600 und 1200 wurde er aber kaputtgespart, dabei war der 500 angeblich nur wenige Dollar in der Produktion günstiger als der 1000. Der 2000 hätte der Mainstream-Amiga werden können, mit dessen Erweiterbarkeit die oft bewiesen wurde wären die Weichen für die Zukunft besser gestellt gewesen.

Kommentare sind geschlossen.