Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich in letzter Zeit leider keine Beiträge mehr schreiben. Hier jedoch mal wieder eine mehr oder weniger aktuelle „Hardcore-Nostalgie“ von mir. Die Argumentation ist sicherlich nicht wasserdicht, aber vielleicht ist der Text ein guter Ansatz für etwas Diskussion zum Thema.

Um mal wieder zu meinem so beliebten Thema „Zugang zur Vergangenheit“ zurückzukommen: sehr viele Leute, die das 21. Jahrhundert als Maß aller Dinge sehen, werden einem natürlich versichern, daß es unmöglich ist, wirklichen Zugang zum Denken und Sein von vergangenen Jahrzehnten zu bekommen. Es ist vorbei, 30 JAHRE HER, das Hier und Jetzt und das „sich verkaufen“ zählen allein, alles andere ist Klischee, rosarote Brille oder nostalgisch-manipulative Verzerrung und Verblendung.

Ich habe argumentiert, daß es Wege zurück gibt und daß man für sich in seinem Inneren durchaus in Kontakt mit dem Sein, Denken und Fühlen jener Zeiten treten kann. Der Weg kann über originale Technologie führen, der Weg kann aber auch z.B. über Zeitschriften oder gar Comics führen. Über diese Zeitschriften, ihre Art, ihre Redakteure, Beiträge, Leserbriefe, Anzeigen, Gedanken, sogar ihre Werbung, kann man durchaus in einen Kontakt mit dem Damals kommen, der die Gedankenwelt und die Umwelt jener Zeit weit besser reflektiert, als irgendwelche Klischees und Kommerz-Nostalgien.

Das Kontrastprogramm dazu sind natürlich aktuelle Hochglanz-Magazine des Jahres 2010 und der Vergleich kann einem oftmals erschreckend vor Augen führen, in welch dunklen Zeiten wir leben.

Nur zwei Beispiele, für aktuelle Hefte, die ich mir in den letzten Wochen gekauft habe, zum Teil aus Langweile im Krankenhaus. Einmal die Chip und einmal die PC-Games. Was gibt es zur Chip zu sagen?

Übliche Gigabyte-Schreibe, völliges Desinteresse an der grundlegenden Frage „Warum?“ und am Funktionieren von Technik, bunte Bildchen mit bunten Bildchen drauf und Anleitungen, wo man denn zu klicken hat, geschniegeltes und uninspiriertes Bequemlichkeits-, Leistungs- und Perfektionsdenken in vielen Artikeln. Im Grunde ist letztlich alles nur dasselbe mit fehlender Diversifikation bei Rechnersorten und Betriebssystemen und Denkansätzen zur Technologie.

Ich bin es aus alten Tagen irgendwie noch gewohnt, daß ein Vorwort eines Redakteurs irgendwelche interessanten Ideen oder Fragen enthält, hier stehen im Vorwort nicht mehr als ein paar Werbesprüche für zu vermarktende Trends und HD-Fernsehen (nach dem Schema „Wie konnte man nur jemals ohne auskommen?“), natürlich gepaart mit dem derzeit wohl hyperaktivsten Indoktrinierungssschema Fußball.

Da lobe ich mir doch stets die Klopapier-Zeitschrift Computer-Flohmarkt (CF) – ich habe mir jetzt daheim mal wieder die älteren Ausgaben aus der Mitte der 90er rausgesucht. Da findet man beim Lesen wenigstens Ideen und Inspiration und nicht nur Vorgaukelung von Information.

Wobei man leider auch am CF den Niedergang im Laufe der 90er in Richtung 21. Jahrhundert feststellen kann. Gab es in früheren Jahren noch Vielfalt und Auskunft und Aufgeschlossenheit für alle Rechner vom 1-KB-Sinclair über Atari und Amiga zum 286er und weiter, wendete sich das Klima ab etwa 1998 immer mehr in die Richtung einer „Habt ihr Primitiv-Anwender hinter dem Mond den Knall immer noch nicht gehört und euch zeitgemäße Standard-Hardware gekauft?“-Gleichschaltung.

Die PC-Games dümpelt halt auf dem üblichen Niveau dahin, mir sagen da viele Sachen natürlich zugegeben auch nichts mehr, es amüsiert mich nur dezent, wenn Hardwareanforderungen wie 3,4 Ghz für irgendeine Daddelei stehen. Wenn ich für jede Abbildung einer gezückten Waffe pro Heft einen Euro bekäme, könnte man wohl gut damit einkaufen gehen. Bei manchen Ausgaben könnte das Spiel sogar mit den Bildern von dicken Möpsen und Ausschnitten funktionieren.

Der fast schon historische Leserbriefonkel Rainer Rosshirt scheint in den letzten Monaten scheinbar die Vorgabe zu haben, beständig darüber abzulästern, daß er es nicht mehr hören kann, wenn Leute behaupten, daß früher irgendwas besser war oder von „guter alter Zeit“ reden. Man muß sich dazu eigentlich nur vor Augen halten, welche Zielgruppe und Mentalität das Magazin bei Lesern benötigt. Außerdem sollte man Rainer Rosshirt auch über die Jahrzehnte gelesen haben, gerne zurück bis zur Playtime. Zu den Dingen, die er nicht mehr hören wollte, gehörten u.a. schon Leute, die am Amiga festhalten wollten, Leute, die sich darüber beschwerten, daß Spiele nun schon 486er zum Laufen brauchen oder Leute, die nicht auf den segensreichen Windows-95-Zug aufsprangen und länger als „erlaubt“ an DOS festhielten. Seine Seitenhiebe auf alle dem großen Markt „Unangepassten“ haben also deutlich Tradition.

Die 21st Century Mülltüte des Monats dürfte es aber vielleicht verdientermaßen für Folgendes geben: in der vorherigen Ausgabe der PC-Games wurde der Vulkan, der für die umfangreichen Flugausfälle verantwortlich ist, von einem der Fachredakteure als „finnischer Vulkan“ bezeichnet. Diese geografische Diskrepanz fiel dann doch einigen Lesern auf, die dazu Mails schrieben. Standard-Kommentar von Rainer Rosshirt: „Wer ohne nachzudenken und Google zu benutzen den Unterschied zwischen Finn- und Island kennt, gewinnt meine Hochachtung, wird Klugscheißer des Monats und ich leg noch einen Sonderpreis drauf.“

Was ist daran erschreckender? Die unverblümte Verachtung für grundlegendes Allgemeinwissen? Oder die Tatsache, daß Nachdenken/Wissen und Google benutzen scheinbar gleichwertig sind?

Und ich frage mich einfach immer auch, ob solche Dinge nicht exemplarisch dafür sind, daß der ganze überkandidelte Digitalkram und die vermeintliche Perfektion in einem sehr krassen Gegensatz zu dem stehen, wie sich die Menschheit ideell und moralisch und geistig entwickelt. Man könnte jetzt sagen, daß es Unfug ist, Schlüsse aus irgendwelchen Hochglanzmagazinen zu ziehen, aber vielleicht sind es ja gerade die Facetten, die hinter die Dinge blicken lassen. In den 70ern und frühen 80ern, die man nun mit irgendwelcher Nostalgie und Belanglosigkeit verbindet, vermitteln der Inhalt, die Nachdenklichkeit und Detailfreude in Zeitschriften jedenfalls ein anderes Bild vom Zeitgeist.

Es mag heute extrem schwierig sein, jemandem verständlich zu machen, warum das Arbeiten mit einem Rechner mit 16 KB RAM erfüllender sein kann, als auf irgendwelchen stylischen Icons und Markenprodukten rumzuklicken. Einfacher ist es da vielleicht, einen vergleichenden Blick eben auf Zeitschriften und Magazine zu werfen, um zu sehen „wie weit“ wir heute wirklich gekommen sind.

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Von Chris Pfeiler

on allen Retro-Schreibern bin ich wohl derjenige, der das Thema am Persönlichsten vertritt. Ich habe privat keinen digitalen Lifestyle im modernen Stil, also kein Handy, iKram oder aktuelle Rechner. Viele Leute finden das zum Haareraufen und würden mich gerne „missionieren“, ich finde aber, daß einem ein sog. veraltet-analoger Lebensstil viele Ideen und Perspektiven vermitteln kann.

6 Gedanken zu „Print-Nostalgie“
  1. Sehr interessanter Artikel. Für mich persönlich vor allem deshalb, weil ich zum einen Total Retro vernarrt bin ( hab gerade erst ein großenhaufen geld für eine US erstauflage von Maniac Mansion für c64 hingelegt ) und zum andern bin ich aber auch total hightech vernarrt, vor allem wenn es das spielerlebnis intensiver macht. Spiele wie Stalker, Half life 2, crysis oder gta4, finde ich einfach total superm weil sie nicht nur Spass machen, sondern auch zeigen, was alles möglich ist. Gerade die Stalker reihe hat es hervorragend geschaft mich in eine andere welt zu ziehen und mich in den weiten der zohne allein zu fühlen. Ich Spiele aber auch immer wieder die guten alten games aus der vergangenheit, weil diese am besten zeigen, wie ideenreich damals die macher waren, wenn es darum ging, das spielgeschehen über die grenzen der hardware hinweg zu presentieren. Mehr als 4 stimmen am amiga schienen jahrelang unmöglich und dann kam es doch anders. ABER auch bei heutigen spielen werden solche Tricks und kreativen spielereien angewand, mann ist nur als ottonormal verbraucher kaum noch in der lage diese zu erkennen. Ausser vieleicht daran, das 2 spiele durchaus gleichgut wirken, aber das gut programierte weit weniger Hardware Power benötigt, als das was zwar gleiche effekte bietet, aber einen Porsche PC vorraussetzt. Wer das Flair der alten games mit der technik von heute geniesen will, ist meiner meinung nach in der Modding und Freeware szene bestens aufgehoben. Ich finde einfach, das leute die nur auf das alte schwören, einfach ewig gestrige sind, aber das auch diejenigen die nur das neue und moderne bevorzugen, blind sind für die hintergründe und das warum. Mann sollte stehts das beste beider welten für sich vereinen, dann hat man den wahren durchblick. ( Im übrigen finde, das Redakteure von Print Magazinen heute, sich mal ein paar alte Happy Computer schnappen sollten, um zu sehen wie ihr job aussehen sollte. Die Gamestar z.b. ist inerhalb weniger Jahre, von einem unabhängigen ernsthaften Magazin zu einem käuflichen werbeheftchen voller belanglosigkeiten und künslich aufgebähter artikel verkommen)

  2. Ich bin gerne ’nostalgisch‘. Ich benutze, sofern ich Zeit dazu habe, gerne noch meinen C128, meinen Amiga, ab und an krame ich sogar meine Atari 2600 Konsole raus.

    Oder wenn es mich packt, hole ich meine 64er-Magazine aus der Kammer, ich habe alle – von der ersten bis zur letzten Printausgabe. Und auch heute lese ich da noch länger drin, als in einer Chip oder PC-Games. Oder ich lese eine andere alte Computerzeitung, wie z.B. die ASM, von denen ich aber nicht mehr viele habe, da ich die aus Platzgründen entsorgen müsste.

    Erst vor Kurzem habe ich mir wieder einen Amiga- sowie einen C64-Emulator installiert

  3. sehr schöner Artikel. Ich bin sowohl Fan von dem Alten als auch von dem Aktuellen. Jedoch finde ich daß auch ein Rosshirt, der ja quasi in der Playtime bereits die zyinschen und boshaften Kommentare zu Leserbriefen salonfähig gemacht hat, mit der Antwort ein klares Statemant abgegeben hat, nämlich sei schlau, bleib dumm. Es ist traurig zu sehen, daß hier sozusagen trotz allem Zynismus jemand, der auch ohne Google ein wenig Allgemeinwissen hat, gleich als Klugscheisser des Monats stigmatisiert wird und dementsprechend minimalste Bildung als cool dargestellt wird.
    DIe Printmedien jammern seit Jahren über rückläufige Auflagenzahlen, aber wer solche Verbaldiearrhoe verzapft, verdient es gar nicht anders.

  4. = Technik in den Medien =
    Auch ich muss immer wieder feststellen, dass die Darstellung von Technik in den Medien immer oberflächlicher wird. Dies betrifft nicht mehr nur allgemeine Medien, sondern eben leider auch Fachmedien. Man könnte vermuten, dass dieser Effekt der zunehmenden Komplexität geschuldet ist, aber ich vermute dass man damit zu kurz greifen würde. Letzten Endes ist es auch der Endabnehmer, der die Qualität der konsumierten Produkte steuert. Von Seiten der Verlage wird, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, optimiert – wozu ausführliche technische Informationen recherchieren und aufbereiten, wenn man auch die Pressemitteilung der Hersteller hübsch aufbauschen kann. Das kostet weit weniger und hält die Anzeigenkundschaft glücklich; ein Großteil der Kundschaft scheint sich eh nicht dran zu stören. Eher im Gegenteil:

    = Generation iPad =
    Die Generation iPad ist technikverliebt, aber völlig desinteressiert an der Funktionsweise. Diese Kids (in allen Altersgruppen) sind reine Konsumenten. Apple hat etwas kapiert und erfolgreich umgesetzt, dass uns Technik-Geeks nie in den Sinn gekommen wäre: Die Abkehr von der universellen Rechenmaschine. Ich könnte mich z.B. stundenlang mit einem programmierbaren Taschenrechner beschäftigen, wie dem HP48g; habe aber keinerlei Verwendung für ein iPad/iPhone, weil es geschlossen ist. Für die Generation iPad ist das kein Problem, da sie nur konsumieren wollen. Die Kenntnis der hippsten App reicht aus um als cool zu gelten. Zu wissen, dass z.B. Musikerkennung über eine Form von Fouriertransformation läuft, ist doch völlig egal wenn man in der Disco alleine mit „Shazam“ glänzen kann. Das Mobiltelefon ist symptomatisch für diese und andere Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft:

    = Information ist nicht Wissen =
    Junge Menschen sind völlig abhängig von ihren Gadgets. Damit einher geht u.a. dass sich viele von ihnen kaum mehr um Verbindlichkeiten bemühen. Mit dem Handy kann man ja jederzeit umdisponieren, bis hin zum „Schluss machen mit dem/der Freund/-in“ via SMS. Dazu kommt der Irrglaube man könnte Wissen jederzeit abrufen. Etwas zu „erlernen“ ist so out – aus dem letzten Jahrtausend sozusagen. Es gibt doch, online abrufbar, Wikipedia und Google. Leider erkennen viele dabei nicht, dass diese Informationsquellen zwar immer verfügbar sind – aber Informationen und anwendbares Wissen zwei Paar Schuhe sind.

    = Zu den Ursachen =
    Oft wenn man Jugendliche nach Berufswünschen fragt, dann hört man: „Irgendwas mit Computern …“. Wenn man dann etwas ins Detail geht, dann merkt man schnell, dass der oder diejenige nicht die leiseste Vorstellung davon hat, was in diesem Berufszweig vor sich geht. Gelegentlich spreche ich despektierlich von „Mäuseschubsern“. Womit wir auch wieder beim Brückenschlag zum Anfangsthema sind: Woher sollen sie es besser wissen, wenn die Medien so flach sind wie heute üblich. Technik ist zu einfach geworden. Die Generation C64 hat sich noch durch lange Listings in den Zeitschriften ihrer Zeit gearbeitet, dabei wurden Grundlagen erlernt, aufgenommen und angewendet. Die aktuelle Generation bekommt nur noch einen Konsum-Leitfaden …

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