Der C64 hat es nicht leicht in den deutschsprachigen Medien – außer bei uns natürlich. Und in einigen anderen befreundeten Magazinen und Produktionen. Aber in der großen, weiten Mainstreammedienwelt muß er viel aushalten, viel mitmachen und viel verzeihen können. Es scheint für einige Kolleginnen und Kollegen sehr schwer zu sein, dem System auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Nun mache ich diesen Pressespiegel (und damit diese Medienbeobachtungen) bereits seit über fünf Jahren und denke daher einen gewissen Erfahrungsschatz angehäuft zu haben, der mir zumindest erlaubt, einige grobe Skizzen der medialen C64-Repräsentanz anfertigen zu können – und das Ergebnis ist … sehr seltsam. Und gut geeignet für ordentliches Fremdschämen. Beispiele gefällig? Kein Problem …

Beispiel 1: Nepp. T-Online bringt einen Beitrag mit der Überschrift „Die größten Heimcomputer-Legenden“. Das klingt nicht nur nach einer dünnen Sendung von RTL2, sondern liest sich auch so. Dazu gibt es zum Durchklicken eine dieser berühmt-berüchtigten Bilderserien. Sie wissen schon: viel Geklicke, wenig Neues. [LINK>605] Die Frage, die sich dem geneigten Brotkastenfan hier nach der Lektüre dieses t-ollen Artikels stellt, ist: Was soll das? Der Beitrag ist mediales Fastfood: erschreckend farblos, keinesfalls reichhaltig, mäßig erfreulich und allzu schnell vergessen. Hier scheint man – auch aufgrund der banalen Bilderstrecke – einfach mal ein paar Klicks erheischen zu wollen, mit dem Schlagwort „Retro“ als Köder. Ich bin mir nicht sicher, aber das könnte etwas kurz gedacht sein, denn den nächsten T-Online-C64-Artikel klickt man dann – wenn man nicht gerade einen Pressespiegel schreibt – wohl nicht mehr an, aus Angst um die kostbare Lebenszeit und die verschwendete Energie. Oder doch? Vielleicht, weil die Hoffnung eines Retrofans zuletzt stirbt? Oder weil es in den großen Redaktionen meist eh nur solch Einheitsbrei gibt und man schon gar nichts Besseres mehr erhoffen mag?

Beispiel 2: Plattheiten. Mario-Barth-verdächtigen Klischeealarm löste ein SpOn-Artikel aus, in dem zwei Frauen Anfang Dreißig beschreiben, wie es den Jungs (!) damals in den 90ern mit dem C64 und – festhalten, Oberklischeealarm! – Summer bzw. Winter Games erging. Das kann nur schiefgehen. [LINK>606] Kostprobe gefällig? Aber gerne: Was machten die Jungs so? Sie „zwängten“ sich „den schwarzen Joystick (…) wie ein Penisimitat zwischen die Oberschenkel“ und bekamen „Druckstellen an den Händen von übermäßigem Joystick-Gebrauch“. Wie ernährten sie sich und wie sahen sie aus? Natürlich zweimal klischeehaft mies: „Die einzigen warmen Mahlzeiten bestanden aus Pizza-Baguette Funghi, die die besorgte Mutter von Zeit zu Zeit hereintrug und anmerkte, dass man etwas blass um die Nase sei und frische Luft nicht schaden könne.“ Was war die Folge dieser „Stumpfheit“? „Eine nicht zu vernachlässigende Zahl an jugendlichen Sehnenscheidenentzündungen“. Wow. Soviel Unsinn auf einmal habe ich schon lange nicht mehr in einem Artikel entdeckt, in dem der C64 eine tragende Rolle spielen soll. Was die Mädels in der Zeit gemacht haben, in der ihre gleichaltrigen Kumpels glücklich gezockt haben, verraten sie leider nicht, aber es scheint wohl auch nicht der Rede wert zu sein. Traurig, so eine langweilige Jugend …

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Von Stephan Humer

Mitbegründer und -herausgeber von Magazin und Website. Und das, ohne das Label „Generation C64″ wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Mag es, über die Grenzen der Chips hinauszuschauen.