Etwas Werbung in eigener Sache (es sei mir verziehen ;-)): wie schon öfter hier auf der Webseite und auch per Anzeige im Retro-Magazin vorgestellt, arbeite ich eigenfinanziert an einer fiktiven TV-Satire/Animationsserie mit dem seltsamen Titel „Bruchbach Serenade“. Nach drei Comic-Ausgaben erschien nun im letzten Jahr ein illustriertes Hardcover-A4-Buch, in dem sich u.A. der komplette Folgenguide mit allen Handlungsideen bis Folge 171 befindet. Während sich die kurz gefassten und geradlinig-humoristischen Comics für den Verlag halbwegs akzeptabel vermarkten ließen, wurden vom deutlich komplexeren (und teureren) Buch aber bisher kaum Exemplare verkauft. Was ich persönlich schade finde, da es das eigentliche „Herz“ der ganzen Serienidee darstellt. Der Preis von EUR 19,90 mag vermutlich viele abschrecken, aber dafür gibt es auch ein sehr hochwertiges Buch.

Daher noch mal ein kleiner Aufruf in die Retro-Runde: wer sich mit den Inhalten meiner Beiträge hier auf der Seite oder auch in den Magazinkolumnen ein wenig identifizieren konnte, dürfte sicher auch mit dem Buch seine Freude haben, denn viele dieser Ideen kommen im Buch vor bzw. werden von Charakteren reflektiert. Das soll aber nun nicht einseitig klingen, denn die Stories und Ideen gehen in zahlreiche Richtungen.

Um einen (ungenauen) Eindruck von der Art des Buches zu vermitteln, hier eine Folgenidee aus Staffel 9 ungekürzt. Von dieser Machart gibt es 171 Handlungsideen im Buch. Die fiktive Serie selbst muß jedoch im Kopf des Lesers entstehen, wofür die folgende Idee vielleicht visuell ein interessantes Beispiel ist:

164. The Quarkmaker

Die Folge beginnt mit Alex, die hustend mit einer schweren Grippe im Bett liegt. Martin meint besorgt, daß sie sich in den letzten Wochen einfach zuviel zugemutet hat und sich jetzt erholen muß. Alex ist unruhig und erklärt, daß es jetzt zuviel zu tun gäbe und sie nicht untätig herumliegen kann. „Die Zeit…“ wäre ein kritischer Faktor. Da Martin nur wenig Vertrauen in die Pharmazie hat, greift er lieber zu einem altbewährten selbstgebrauten Hustensaft nach Dahlschem Familienrezept bzw. zu einer alten Flasche, in der sicher noch ein brauchbarer Rest davon sein dürfte. Alex verzerrt das Gesicht und meint, daß sie eine solche Bitterkeit lange nicht mehr geschmeckt hat, aber Martin entgegnet, daß es dann sicher helfen wird.

Er schließt die Tür sanft von außen und stellt die Flasche mit dem Hustensaft zurück in ein Bücherregal – kurioserweise neben eine Ausgabe von Aldous Huxleys „Die Pforten der Wahrnehmung“. Zurück im Zimmer dämmert Alex mit trägen Augenlidern langsam in einen Halbschlaf hinüber und seltsame Dinge scheinen sich im Zimmer abzuspielen. Ein Marienkäfer steht in extremer Zeitlupe still in der Luft. Wir hören eine Stimme, die zu sich selbst meint, was für ein seltsames Universum hier wäre. Während die Stimme eine Zwiesprache mit einem imaginären Gegenüber hält, entsteht die Erkenntnis, daß eventuell der „Quarkmaker“ – der Schöpfer der kleinsten Dinge – die Antwort wüsste. Und eigentlich müsste der hier irgendwo im Raum auch zu finden sein. Alex beschließt, sich auf die Suche zu begeben. Schließlich kenne sie ihr eigenes Zimmer – wie schwierig kann die Suche dann sein?

Als erstes folgt die Kamera wieder dem fliegenden Marienkäfer. Als er auf den zottigen Haaren des Flokati-Bettvorlegers landet, wechselt die Animation hin zu klassischer Stop Motion. Wir hören die Stimme von Alex quasi als Erzähler, während der Käfer mit lautem Rumoren durch den dichten „Dschungel“ im Teppich stampft. Alex bemerkt außerdem, daß sich das Insekt krabbelnd auf verschiedene Gefahren im Zimmer zubewegt – z.B. ein klebriges Glas Orangensaft, eine fleischfressende Pflanze im Regal, ein Streifen Fliegenpapier unter dem Schrank etc etc. Das beste Ziel wäre eine Pflanze mit Blattläusen, die am entfernten Rand des Schreibtisches steht. Aber wie soll sie den ziellosen Käfer dorthin bugsieren, wenn sie nur reiner Beobachter der Szene ist?

Alex will bereits entmutigt aufgeben, nachdem der Käfer an einem der „Baumstämme“ des Teppichs umgefallen ist, aber durch Zufall bemerkt sie, daß sie als beobachtendes Bewußtsein scheinbar die Fähigkeit hat, willentlich die Schwerkraft auf Ebene der Käfergröße nach oben oder nach unten zu verändern. Was als Eigenschaft im Makrokosmos nicht auffallen würde, wird plötzlich zu einer Möglichkeit, das Insekt auf den richtigen Weg zu bringen. Nach einigen kleinen Abenteuern mit einer Stubenfliege, einer wackligen Brücke aus Staubflocken und einer Glasmurmel erreicht der Käfer mit Alex´ physikalischer Mithilfe schließlich doch noch die glatte Oberfläche des Schreibtisches – und bleibt hier kurz vor dem Ziel mit einem Bein in einer Holzspalte stecken. Alex versetzt einem halbvollen Wasserglas einen mentalen Tritt und dieses schwingt auf kleinster Ebene mit. Zuerst passiert gar nichts, aber dann löst sich ein Tropfen am Glasrand und „spült“ den Käfer frei. Dieser fliegt auf und landet direkt auf der Pflanze.

Glitzernd fliegen kleinste Wassertröpfchen durch die Luft. Die Szenerie läuft ein Stückchen rückwärts und wir folgen dem Tropfen wieder zurück zum Ursprung – dem halbvollen Glas. Der Blickwinkel zoomt in das Wasser des Glases und wir sehen ein digital animiertes 3D-CGI-Segment aus dem Leben der kleinen, transparenten Einzeller dort. Alles scheint in dieser Zivilisation seinen geregelten Gang zu gehen, wobei sich gerade ein kleiner Einzeller vom Rest des Schwarms absondert und an den geradlinigen Rand seiner Welt schwimmt – wo eine Barriere jedoch ein Weiterkommen verhindert. Hinter dieser Barriere schimmert verzerrt ein wunderschönes Objekt – eine Art von diffuser Wolke aus unzähligen farbigen Lichtern und bunten „Nebeln“ dazwischen.

Der Einzeller wundert sich laut darüber, was es ist und ob dieses Wunder schon immer dort war oder erschaffen wurde. Ein alter Einsiedler-Einzeller kommt hinzu (inklusive langem Bart) und erklärt weise, daß das Wunder schon immer dort war – also sein ganzes Leben lang und das Leben seiner Vorväter. Und wenn etwas so unverrückbar und zeitlos ist, dann ist es sicher ein Werk jenseits der Welt und somit der Götter. Er erzählt dem Jungen eine komplexe (und illustrierte Geschichte) über die Natur und das Räderwerk der großen Barriere und der Sphären jenseits davon. So ist das Gebilde aus Licht und Farben in der Ferne das Resultat einer großen Schlacht am Anfang der Welt, als der erste geschaffene Einzeller gegen seinen Gegenspieler, den Schattenzeller, antreten musste – und das Universum dabei in dieser Barriere eingeschlossen und mit Wasser gefüllt wurde. Alle Lichter und Farben, die man außerhalb sieht, müssen daher Reflektionen dieser Schöpfung und unverrückbare Wahrheiten sein.

Nachdem er seine Geschichte erzählt hat, drängt er den Jungen jedoch dazu, mit zurück zum Schwarm zu kommen. Dieser hat auf der anderen Seite des Universums ein noch helleres Licht gesehen, auf daß nun alle zuschwimmen werden. Der Junge kann sich nur schwer vom Anblick trennen, aber der Alte entgegnet, daß sie vielleicht zurückkehren werden – auch wenn sich das Wasser im Universum als unendlich herausstellen sollte. Traurig trennt sich der Junge von seinem Wunder. Die Kamera zoomt wieder heraus durch die Barriere des gekrümmten und verzerrenden Glases und wir sehen, daß die Wolke aus Lichtern und Farben eigentlich nur ein kleines und ziemlich ramponiertes Weihnachtsbäumchen ist, daß am anderen Ende des Schreibtisches steht.

Die Kamera fährt auf die Lämpchen am Plastikbaum zu und endet im Inneren eines der Glühwendeln in der subatomaren Welt der Elekronen. Der Zeichenstil wechselt zu einem expressionistischen 2D-Stil mit Schraffuren und starken Kontrasten. Wir sehen drei Elektronen (die charakterlich sehr stark an Alex, Rick und Mike erinnern) die vor einem dunklen Gerichtstribunal stehen, weil sie die ketzerische Behauptung aufgestellt haben, daß man seine Bahn im Leben verlassen könnte und ein Teil seiner Selbst dann zu Licht wird. Ein agressiver Ankläger bzw. Großinquisitor versucht alles, um mit der Akzeptanz dieser Behauptung das Ende der Zivilisation in Zusammenhang zu bringen – verzettelt sich aber selbst in Widersprüche. Als sie am Ende des Prozesses dennoch der Ketzerei schuldig gesprochen werden sollen, wechselt das ganze Gericht die „Bahn“ und alle werden zu Licht, auch der Ankläger.

Als das helle Licht wieder schwächer wird, sind wir zurück in normaler Animation und sehen Alex, die halb durchscheinend auf einer weiten und leeren Ebene steht. Eine staubige Visitenkarte liegt auf dem Boden, laut der hier der Quarkmaker (Hobbies: Sterne) leben soll. Alex läuft über die Ebene und findet niemanden. Zurück am Ausgangspunkt steht ein wunderschönes und kompliziert verpacktes Geschenkpaket mit bunter Schleife. Als Alex das Paket zögernd aufreißt und hineinblickt, ist es leer.

Die Szene wechselt zurück in die Realität zu Alex, die im Bett aufwacht. Sie betrachtet für eine Weile die Decke mit dem Muster aus Rissen. Dann steht sie auf und zieht einen Morgenmantel an. Husten und Fieber sind verschwunden. Alex wirft einen kurzen Blick auf die Pflanze am Schreibtisch, aber dort ist kein Marienkäfer zu sehen. Sie geht nach unten und erklärt dem erleichterten Martin, daß es ihr schon besser geht. Martin führt dies allein auf den guten alten Familienhustensaft zurück. Alex kocht sich einen Kräutertee in der Küche, muß aber dann feststellen, daß in der Zuckerdose nichts mehr drin ist. Martin möchte gleich einkaufen gehen, aber Alex entgegnet achselzuckend, daß es für den Quarkmaker vielleicht kein Nichts gibt. Sie dreht die Zuckerdose um und ein paar in der Luft glitzernde Zuckerkristalle fallen heraus.

=> surreale Folge, Experimentalfolge

Falls ich vielleicht doch jemanden interessieren konnte, das Buch gibt es unter folgendem Link zum Preis von EUR 19,90. Ich würde mich über einige Käufer freuen, der Verlag sicher auch :-):

http://shop.thenextart.de/artbooks/6299819ede0d10e11.php

 

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Von Chris Pfeiler

on allen Retro-Schreibern bin ich wohl derjenige, der das Thema am Persönlichsten vertritt. Ich habe privat keinen digitalen Lifestyle im modernen Stil, also kein Handy, iKram oder aktuelle Rechner. Viele Leute finden das zum Haareraufen und würden mich gerne „missionieren“, ich finde aber, daß einem ein sog. veraltet-analoger Lebensstil viele Ideen und Perspektiven vermitteln kann.

Ein Gedanke zu „Bruchbach Serenade – Guidebook“
  1. Wie ich jetzt vom Verlag gehört habe, wurden in den letzten Tagen 2 Ausgaben des Buches verkauft. Da ich sonst keine Werbung gemacht habe (sowas liegt mir einfach nicht) müssen die Käufer wohl hier aus dem Retro-Umfeld kommen. Vielen Dank :-). Kommentare und Kritik zum Buch gerne per Mail.

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