Hier noch ein Beitrag aus meinem Blog, der IMO auch ganz gut hierher passt. Es ist zwar nun kein digitales Retro-Thema, aber sicherlich für viele auch mit Erinnerungen verbunden. Außerdem kann ich mir ein klein wenig Kritik am digitalen Zeitgeist der Moderne im Zusammenhang damit auch nicht verkneifen, siehe weiter unten. Es geht um den Duckburg-Kosmos, also Donald Duck & Co, Carl Barks, Don Rosa, Lustige Taschenbücher etc. Vorausschickend sei noch gesagt: ich bin kein Experte zum folgendem Thema, sondern eher interessierter Amateur. Erfahrene Donaldisten mögen also dezent den Kopf über nachfolgende Ausführungen schütteln oder sie für so selbstverständlich erachten, daß sie keinen Beitrag wert sind ;-).
Was ich aktuell ein wenig wiederentdeckt habe, ist mein Interesse für den Duck-Kosmos. Das liegt hauptsächlich an Autor/Zeichner Don Rosa, den ich lange Zeit eigentlich mehr oder weniger ignoriert und Ducksche Qualität hauptsächlich bei Carl Barks gesucht hatte. Ich hatte ja in einem vorherigen Text mal den Vergleich gezogen, daß man die Arbeiten von Barks in etwa mit dem vergleichen kann, was bei den Simpsons zwischen den Ullman-Shorts und Staffel 2 geschehen ist: der Entwicklung von emphatiefähigen Charakteren mit Emotionen und Motivationen aus eindimensionalen und stereotypen Wurzeln.
Dabei hatte ich durchaus schon öfter gehört, daß auch Don Rosa einen Blick wert wäre und seine Geschichten nicht nur komplexe und fein recherchierte Abenteuer klassischer Prägung wären, sondern auch Tiefgang aufweisen, und nach dem Motto „to explore the inner being of Disney ducks…“ geschrieben und gezeichnet wären. Davon war ich aber lange nicht so recht überzeugt. Mit Barks hatte ich Erfahrung, von Rosa kannte ich aber nachgewiesen nur zwei Stories: eine davon war eine Gagstory über das Amulett des „Nostrildamus“, in der Donald ständig mit slapstickigen Gefahren beworfen wurde, die andere war ein auch nur semi-amüsantes Stück Unfug über Donald, der mit einem Fischnetz im Weltraum Satelliten einfangen sollte. Beide Stories waren nicht sonderlich geeignet, mich von der Qualität von Rosa zu überzeugen.
Auch der Zeichenstil war etwas gewöhnungsbedürftig und erschien mir trotz aller Details bisweilen sogar relativ grob. Mit vielen Schraffuren und Überfrachtungen fehlte es mir doch an Dynamik und Schwung, die Barks oft mit wenigen Strichen erreicht hatte. Last but not least schreckte mich auch das Entstehungsdatum etwas ab. Barks hatte seine besten Geschichten in den späten 40er Jahren und besonders in den 50er Jahren geschrieben, und dabei (trotz seiner eher konservativen Einstellung) auch wunderbare Parodien des damaligen American way of life und der Lage der Welt abgeliefert. Die Inspiration für die Abenteuer der Ducks kam häufig aus Zeitschriften wie „National Geographic“ und die doch noch kleinere Welt war eine perfekte Bühne für Schatzsuche und sense of wonder. Rosa hatte seine Stories hauptsächlich in den 90ern oder noch später gezeichnet. Das war die Zeit, in der ich zumindest das Interesse an den in Italien produzierten Lustigen Taschenbüchern (LTBs) verloren habe, weil sich diese inhaltlich immer stärker am schnelllebigen Zeitgeist orientiert hatten.
Das bezog sich nicht nur auf Kaschperl-Micky & Co, sondern generell darauf, wie „hip“ die Ducks und ihre Welt plötzlich zu sein hatten: Tick, Trick und Track mussten kewle Sprüche klopfen, während sich Donald einen Klingelton auf sein Handy lädt und im Internet surft. Der Zeichenstil schien sich auf die Generation Anime und Manga hin zu orientieren. Und das fühlte sich für mich einfach nicht richtig an. Und ohne die Aussage überstrapazieren zu wollen: wenn auch die Schatzsucher im Comic nur noch digital mit google Earth auf den Zielort hinzoomen müssten, dann fehlte auch dort der klassische sense of wonder. Und selbst an den Nachdrucken älterer Ausgaben wurde massiv rumgepfuscht: kunterbunte Cover for a modern audience, inhaltliche Änderungen, neue Texte. Meh. Wenn schon LTB, dann bitte Originale aus den 70ern. Dann macht auch die italienische Produktion trotz ihrer nicht zu verbergenden Fließbandnatur mit vielen Inkonsistenzen und Schwächen durchaus Spaß, wobei der dortige Zio Paperone eben doch oft nur ein sehr flaches Abziehbild des „wahren“ Scrooge McDuck ist.
Qualitativ mit Barks vergleichen kann man das daher nicht bzw. nur in wenigen Fällen (der Name Romano Scarpa sei aber hier lobend zu erwähnen). Was mich wieder zu Don Rosa gebracht hat, war das Lesen seiner Story „Last Sled to Dawson“ in der deutschen Fassung. Das war doch schon deutlich näher an der wahren Sache dran: viele Bezüge und Verwendungen von Barkschen Ideen und Figuren, vor allem auch charakterbezogener Inhalt, in der Dagobert/Scrooge doch mehr zu tun hatte, als nur Stereotyp für den schnellen Geiz- und Hau-den-Donald-Witz zu sein. Im Laufe der Zeit habe ich dann auch das Epos über „The Life and Times of Scrooge McDuck“ gelesen, ebenso wie manch andere Abenteuerstories. Und ich muß trotz der „aktuellen“ Natur der Sache zugeben, daß ich durchaus beeindruckt bin. Das mag auch daran liegen, daß die Stories eben wirklich Retro sind und in einer fiktiven Welt der 50er Jahre spielen. Man muß also nicht befürchten, daß Scrooge plötzlich ein Smartphone aus der Tasche zieht oder das Ziel einer Schatzsuche auf dem Google-Earth-Flatscreen auftaucht.
Ich will auf die Handlungen nun nicht detailliert eingehen, das wäre zuviel. Sehr schön fand ich in jedem Fall die Anwesenheit von düsteren Aspekten, von Scrooges Weg zur dunklen Seite und zur Einsamkeit. Enten müssen nicht nur lustig sein. Wobei auch der Humor brillante Momente hat – IMO eben auch, weil nicht Popkulturhumor und Hipness abzitiert werden, sondern der Humor aus den Charakteren selbst kommt. Man lacht nicht (nur) über die Charaktere, sondern auch mit ihnen. Zahlreiche Filmzitate aus Klassikern tun ihr übriges, sei es nun Citizen Kane, Monty Python oder Charlie Chaplin. Für ein „Produkt“ aus der aktuellen Zeit (und vielleicht noch mehr für eines mit dem Namen Disney darauf) wirklich überraschend gut.
Der negative Effekt ist natürlich, daß man den massenproduzierten Stories italienischen Ursprungs ohne Kanon, Kontinuität und echten Charakter noch kritischer gegenübersteht. Und die Storybalance im Duck-Kosmos ist mittlerweile so, daß ein paar Hundert Barks- und Rosa-Stories einer Unmenge von Abertausenden von Billigstories und Schnellschüssen gegenüberstehen. Carl Barks ist tot (im gesegneten Alter von 99 Jahren) und Don Rosa kann ja leider wegen einer Augenkrankheit nicht mehr weiter zeichnen. Schade, ich hätte da gerne noch mehr gesehen, selbst wenn das letzte Kapitel dann in letzter Konsequenz „The Death of Scrooge McDuck“ geheißen hätte. Für die Arbeiten von Don Rosa in jedem Fall eine Kauf- und Leseempfehlung, besonders natürlich der englischen Originalfassungen.
Hier findet sich noch ein Teil einer Beispielseite, die vielleicht ganz gut die Herangehensweise von Rosa an die Charaktere zeigt. Ich hoffe, dieser arg themenfremde Beitrag hat hier etwas Interesse gefunden ;-).