Es war das Ende einer Ära: heute vor 25 Jahren ging Commodore, der legendäre Computerhersteller, in die Insolvenz. Es war aber nicht nur das offizielle Ende einer Firma, es war auch das Ende intensiver Träume zahlreicher Commodore-Anhänger (mich eingeschlossen). Es war das Ende einer zum Schluß nur noch dünnen, mehr illusorischen als realistischen Idee von einem (neuen) Aufblühen eines „guten“ Wettbewerbs der Computergiganten inklusive Commodore. Denn schließlich war die Firma Produzent legendärer Maschinen wie C64 und der Amiga-Reihe, weltweit bekannt für Innovationskraft, Qualität und Marktprägung. Und nun sollte alles vorbei sein?

Das Ende war, wenn man ehrlich ist, seinerzeit bereits absehbar. Neue Rechner, neue Innovationen blieben aus, Commodore setzte verstärkt (und mit wenig Erfolg) auf den „PC“-Markt (sprich: Windows-Maschinen) – und ich halte diese Ausrichtung auch heute noch für einen kapitalen Fehler. Eine Konzentration auf den Amiga wäre wohl klüger gewesen, doch schon damals war schnell erkennbar: dieser Richtungsschwenk wird nicht erfolgen. Die Quittung dafür kam auch recht zeitnah:

Zuletzt überlebten nur noch Commodore Deutschland und Commodore UK, beides profitable Unternehmen. Der deutsche Ableger wurde schließlich durch die Muttergesellschaft mit in den Untergang gerissen, während das britische Unternehmen in letzter Minute versuchte, durch einen Aufkauf der Muttergesellschaft, und damit der Rechte am Amiga, das Ende zu verhindern. Die finanziellen Reserven von Commodore UK reichten dafür allerdings nicht aus – sie wurden durch den zeitweise zweiterfolgreichsten deutschen PC-Hersteller ESCOM überboten, der Commodore schließlich für 14 Millionen US-Dollar aufkaufte.

Das war es dann also. Ja, Escom vermittelte zu Beginn noch mal Hoffnung, aber selbst wenn sie erfolgreich gewesen wären: es endete 1994 schlicht eine Ära mit der Pleite von Commodore. Was bei mir persönlich ca. 1986 mit dem C64 begann und viele tolle Jahre zur Folge hatte, endete nun sehr unrühmlich, sehr drastisch und für mich ganz persönlich mit einer einschneidenden Entscheidung: meine Schlußfolgerung aus dem Commodore-Desaster war, daß ich werde mich nie mehr an einen Hersteller und sein System binden werde!

Denn der große, wahrscheinlich alles entscheidende Vorteil von Systemen wie Windows griff damals beim Amiga nicht: dieses war ein einzigartiges System, das Betriebssystem nicht breit an andere Hersteller lizensiert und deshalb mit der Pleite gleich komplett vom Untergang betroffen. Hätte Windows seinerzeit ohne Microsoft weiterleben können? Damals wie heute sage ich: ja, denn dafür ist es einfach eine zu clevere Entscheidung gewesen, Betriebssystem und Hardware voneinander zu trennen. Dadurch entstand eine ungeheure Verbreitung und schließlich eine entsprechende Marktmacht, so daß Windows quasi „systemrelevant“ wurde. Das System hätte weitergelebt, unabhängig von seiner „Mutter“. So einen Vorteil bot der Amiga nicht, denn „Amiga“ hieß nichts anderes als: „Commodore oder gar nichts“. Und damit wurde mir im Frühling 1994 endgültig klar: hier gibt es ein Problem.

Natürlich, wie wohl immer in solchen Situationen, klammert man sich zumindest zu Beginn des Schocks an einen Rettungshalm, sei er auch noch so dünn. Dieser Rettungshalm hieß seinerzeit Escom. Escom plante groß – und schaffte letztlich wenig, ebenso all die Nachfolger, die Commodore sein oder zumindest wiederbeleben wollten. Trauriges Zeugnis über diesen Versuch legt der Wikipedia-Eintrag zu Amiga Technologies ab. All die Jahre vergingen und es geschah quasi nichts. Was nicht bedeutet, daß die Amiga-Szene heute tot ist: die Commodore-Fanbase ist weiterhin sehr rege und extrem groß, gemessen an der enormen Zeitspanne seit dem Ende dieser Firma. Die Retrowelt lebt – Sie sehen es ja an dieser Website.

Doch das ist freilich nur ein eher schwacher Trost. Denn was fehlt in der Tat, wenn der Mutterkonzern pleite ist? Richtig: die Quelle der Innovationen. Die Welt dreht sich weiter und Computer entwickelten sich damals wie heute rasant. Es dauerte immerhin fünf Jahre, bis ich endgültig den Amiga in die zweite Reihe stellen mußte und Windows (im Rahmen meines Studiums) den Vorzug gab. Word, Internet, Videos – all das war auf dem Amiga nur mit großen Mühen „sozialkompatibel“ (d.h. außerhalb der Nerd-Welt) realisierbar. PCs boten dies, mit Windows, zum Spottpreis, mit ausreichend vielen Bastel- und Ersatzteilen. So kam ich – nach langer, aus heutiger Sicht fast schon absurd langer – Commodore-Treue „über den Tod hinaus“ letztlich doch zu Windows. Der Amiga wurde kurz danach verkauft, komplett mit allem Zubehör.

Diese aus heutiger Sicht wirklich sehr erstaunliche Treue hatte natürlich Gründe: Die Commodore-Systeme waren von Beginn an ein Genuß! Vom Amiga 500 in meinen „frühen Jahren“ über einen Amiga 500plus und einen Amiga 600 bis zum Amiga 2000, den ich extrem hochzüchtete und über fünf Jahre nutzte – alles war stets eine Riesenfreude! Erst waren es die Spiele, dann die Programmierung und schließlich die Anbindung ans Internet. 1992 war ich das erste Mal über den Amiga eines Freundes online, so daß es in der Folge natürlich ein eigenes Modem und ein eigener Telefonanschluß sein mußten. Beides kam 1993.

All diese Dinge machten mir damals ausschließlich auf dem Amiga wirklich Spaß. Windows war dagegen eine Katastrophe: spielarm, öde, hardwareseitig teuer und unfassbar langweilig – für Teenager damals einfach ein Bürosystem für „alte Knacker“. Passend zum Ruf dieses Systems gab es ja dann auch das perfekte Symbol: Karl Klammer. Kinder und Jugendliche hingegen wollten Amiga oder Atari. Zumindest in meinem Umfeld und bei allen Gleichaltrigen, die ich damals kennenlernte, durfte es nichts anderes sein. Okay, einige hatten noch Schneider-Systeme und ein ganz besonderer Freak arbeitete lange Jahre auf einem C128D. Aber das war es auch schon. Entweder Amiga oder Atari, dieses Motto stand. Die Maschinen waren Sehnsuchtssysteme. Ein Windows-PC hingegen war ein Werkzeug.

Dabei kam ich, ganz nebenbei erwähnt, nach dem C64 gar nicht automatisch zum Amiga. Ich schwankte in der Tat zwischen Amiga und Windows-PC, denn die bürotechnische „Brauchbarkeit“ des Windows-Systems war schon damals augenfällig. Aber es gab halt weder ausreichend viele gute Spiele noch eine gewisse technische „Sexyness“ noch eine tolle Szene. Letztere gab dann schließlich auch den Ausschlag für den Amiga: viele meiner Freundinnen (!) und Freunde nutzten damals das System und es gab rund um die und mitten in der Szene Ereignisse, die uns faszinierten. Es wurden durchgängig tolle, sehr aktive fünf (C64) bzw. acht (Amiga) Jahre mit den Maschinen von Commodore.

Was bleibt? Nun, neben den tollen, einzigartigen und mit vielen guten Freundinnen und Freunden geteilten Erfahrungen und Emotionen bleibt mir Commodore mit C64 und Amiga tatsächlich als grandioser Hoffnungsträger in Erinnerung: die 90er waren für mich persönlich aus digitaler, aber auch weltpolitischer Sicht ein Jahrzehnt des Aufbruchs, des Vortriebs, der Freiheit. Diese damals schon mythischen Systeme führten uns emotionsgeladen und technisch auf Spitzenniveau in die Welt der digitalen Möglichkeiten, und das zu einem ganz besonderen Zeitpunkt. Heute sieht die Welt ganz anders aus. Würde ich heute als Teenager ins digitale Leben starten, wäre das Ergebnis wohl ein ganz anderes. Es wäre nicht unbedingt schlechter, gar keine Frage. Aber es würde etwas Besonderes fehlen.

Denn Systemtreue damaliger Qualität gibt es heute so nicht mehr – selbst für Firmen wie Apple führt niemand mehr ernsthaft einen „System War“. Commodore hingegen bot wohl länger als die anderen Firmen einen anderen, menschlicheren Eindruck und damit einen guten Grund zur Verteidigung seiner Systeme. Allein das Deathbed-Video von Dave Haynie bezeugte eindrucksvoll das Anderssein von Commodore. Damals, in den 70ern und 80ern, waren Computer (selbst für einige eher margenorientierte Manager) noch Herzensangelegenheiten, der Markt und die Möglichkeiten waren weit offen. Zumindest war das der damalige Eindruck – und damit genau richtig, zeitlich genau passend. Denn es war das, was ich – und viele andere Menschen, die einen Weg ins Erwachsenwerden finden mußten – brauchte, auch wenn in den 90ern der Weg Richtung Massenproduktion geebnet wurde und vieles marktförmiger und business-orientierter wurde. Mag sein, daß Apple-Computer ähnlich engagiert entwickelt und verkauft worden sind, doch sie boten nicht dasselbe Feeling wie Commodore. Mag sein, daß Microsoft auch mit viel Herzblut startete, doch auch hier fehlte dieses ganz besondere Feeling. Die Rechner, die Szene, die Erlebnisse – Commodore war für mich, mit C64, C128 und Amiga, schlicht ganzheitlich einzigartig.

1999 beendete ich die aktive Commodore-Zeit, 13 Jahre nach dem „Erstkontakt“ mit einem C64. 2003 kam ich zur RETRO. Das Gefühl eines Mangels war einfach zu groß. Für solche Emotionen, für einfach alles, was Commodore Positives bewirkt hat, werde ich den Menschen hinter dieser tollen Firma für immer dankbar sein!

Text erweitert und überarbeitet am 29.4., 15.57 Uhr

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Von Stephan Humer

Mitbegründer und -herausgeber von Magazin und Website. Und das, ohne das Label „Generation C64″ wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Mag es, über die Grenzen der Chips hinauszuschauen.