Hier noch ein Beitrag aus meinem Blog zum Thema Computer-Flohmarkt. Man verzeihe mir die dezent kritische Anmerkung in Richtung Retro-Magazin ;-):

Ein interessanter Neuzugang in meinem Zeitschriftenfundus waren dieser Tage zahlreiche Ausgaben des Computer-Flohmarkts aus der ersten Hälfte der 90er Jahre. Gerade aus dieser Umbruchsphase zeigt das Lesen des CF vielleicht noch deutlicher die soziokulturellen Tendenzen im technologischen Umfeld, die schließlich zur Mentalität des 21. Jahrhunderts geführt haben.

Dabei ist der generelle Ton in den frühen Jahren durchaus noch vielfältig. Auch in den PC- und DOS-Rubriken ist im Grunde noch häufiger die Meinung vorhanden, daß z.B. gerade 286er und 386er und deren Leistungen und treue Anwender Respekt verdienen. So fällt auch gerne mal der Satz „Es zählt nicht, was man hat, sondern, was man daraus macht…“. Der Geist des CF ist zu jener Zeit noch eher mit dem der klassischen GO64 vergleichbar: „Computer creativity is for you and me, not for the fu**ing (Wintel) industry …“. Aber der CF ist nun seit vielen Jahren tot und die GO64 vermarktet sich heute als trendgerechtes Retro-Magazin.

Im CF zeichnete sich allerdings auch in dieser Zeit bereits die Tendenz ab, daß in den PC-Rubriken stärker als in anderen Rubriken (und mit zunehmender Häufigkeit) sehr schnell der Ratschlag „Schmeiß weg/Rüst auf/Kauf dir was Neues“ erteilt wurde – leider schon immer ein Mentalitätsproblem im PC-Bereich. Warum den Schreibern solche Aussagen so leicht aus der Feder flossen, hat vermutlich den selben Grund, warum es auch heute vielen Hochglanzredakteuren so leicht fällt, herablassend von „technologischem Sondermüll“, „Sperrmüllschrott“, „Mottenkiste“ oder „Brechreizpixeln“ zu fabulieren – fehlende Sympathie für die Hardware und das Wissen, daß es zu den Aussagen im digitalen Establishment sowieso kaum (noch) andere Meinungen geben wird.

Besonders traurig ist es immer, wenn man im CF das Schicksal bestimmter Schreiber über die Jahre hinweg verfolgt. So gibt es Leute, die in den frühen 90ern die Fahne der Individualität hochgehalten haben und mit zu den eifrigsten Argumentierern zählten, die aber dann in den späten 90ern erklärten, endlich „aufgewacht“ zu sein, dadurch erkannt zu haben, daß „gegen den Strom schwimmen nur Stress macht“ und nur Power, Speed, Standardisierung und Bequemlichkeit zählen.

Amüsant in den CF-Jahren vor 1995 ist auch das kritische Warten auf Windows 4.0 und das Versprechen so mancher Schreiber, daß sie entweder ihrem DOS und WfW weiterhin treu bleiben, oder aber nur dann auf Windows 4.0 umsteigen, wenn es denn ein ressourcenschonendes, schlankes und stabiles System wird. Nichts davon ist es geworden, umgestiegen und aufgerüstet wurde dann trotzdem in Massen. Meine persönliche Meinung zum neuen Windows 4.0 aka Chikago aka Windows 95 habe ich vor einigen Wochen ja deutlich zum Ausdruck gebracht – die Installations-CD ist in Scherben zerbrochen endgültig in der Mülltonne gelandet.

Passend zum CF-Lesen habe ich auch den Pentium wieder mehr oder weniger in die Ecke gestellt. Die Leute in der Zeitschrift haben ja jede Menge gute Argumente gegen PC-Gigantomanie, und da wäre es fast unpassend, sich nach dem Lesen wieder an einen Pentium 166 mit 64 MB RAM zu setzen – selbst wenn er eine sympathische DOSe ist. Zur Zeit verwende ich daher privat ohne Internet fast nur den 386SX25 mit seinen 6 MB RAM – da lassen sich so manche Ideen und Programmtipps aus dem klassischen CF doch irgendwie besser dran leben und umsetzen.

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Von Chris Pfeiler

on allen Retro-Schreibern bin ich wohl derjenige, der das Thema am Persönlichsten vertritt. Ich habe privat keinen digitalen Lifestyle im modernen Stil, also kein Handy, iKram oder aktuelle Rechner. Viele Leute finden das zum Haareraufen und würden mich gerne „missionieren“, ich finde aber, daß einem ein sog. veraltet-analoger Lebensstil viele Ideen und Perspektiven vermitteln kann.

4 Gedanken zu „CF-Impressionen“
  1. Der CF war geil! Erinnere mich noch gern an die Nachrichten, die man sich darüber ausgetauscht hat. Einfach nur legendär …

  2. Hey, noch ein CF-Leser/Aktiver. Was ich jetzt reinbekommen habe, sind die kompletten Jahrgänge 1994 und 1995. Da sind richtig gute Ausgaben dabei, zum Beispiel die Mega-Ausgabe 11/12-94 mit 144 Seiten Umfang. Und auch sonst steppte da der Bär, mit all den „computer wars“ (nieder mit PCs und Windows, Amiga und Acorn werden die Zukunft beherrschen ;-)) und Diskussionen. Das war ja auch die Zeit der ganzen anderen Magazinversuche aus dem Verlag, z.B. PC-Heimwerker und BrotkastenLive. Der CF hat sie aber alle überlebt, wenn auch nur bis zum Finale 6/99 (diesen späteren Pseudo-CF von einem anderen Verlag zähle ich nicht).

    Anyway, der CF war zu jener Zeit eben auch immer der Ort, an dem man auch PC-„Retro“-User gefunden hat, also Leute, die selbst in den späten 90ern noch an DOS und XTs/2/3/486ern festgehalten haben. Wo mögen sie nur alle hin sein?

  3. Welche Ratschläge hätten die Redakteure denn geben sollen, wenn ein User fragte, wie er Doom auf seinem 386SX mit 25Mhz flüssig ans laufen bekommt? Da half nun mal nur aufrüsten! Und Spiele waren nun mal schon immer der Antriebsmotor für diese Entwicklung. Und ich verstehe auch nicht, warum man damit ein Problem haben sollte.

    „Wahre Zocker“, so wie ich den Begriff definiere, respektieren sowohl alte Spiele, interessieren sich aber auch immer für aktuelle Entwicklungen. Ich hab manchmal den Eindruck, manche Leute wollen sich einfach nicht eingestehen, daß sie alt werden, und dann schreiben sie sich „Retro“ auf die Fahne und verdammen alle neuen Entwicklungen. Das ist auch nicht besser, als ein Spiel wegen veralteter Grafik von vornherein schlecht zu finden.

    Ich werde nächste Woche übrigens meine 486DX Sondermüll-Mottenkiste mit 100Mhz entsorgen, da letzte Woche mein 1541-Ultimate-II-Modul für meinen C=64 angekommen ist und den 486er mit seinem alten Parallel-Port als 1541-Floppy-Kopiermaschine überflüssig gemacht hat.

    Bitte versteht meine Postings nicht als plumpe Provokation. Aber hier wird immer wieder die spezielle Frage gestellt, warum PC’s aus dieser Generation nicht besonders beliebt sind und schnell entsorgt werden (im Gegensatz zu C=64 und/oder AMIGA Computern), und ich versuche das einfach nur zu beantworten.

  4. Das Argument konnte ich in dieser Form aber noch nie nachvollziehen. Beispiel C64: dort lief der Antriebsmotor einer kreativen Weiterentwicklung über Jahrzehnte auf einer anderen Basis. Von Spielen wie Frogger und Pacman zu Turrican II und Mayhem, von Demos wie der 82er Commo-Demo zu Tower Power und Desert Dreams – es läuft trotz kreativem, visuellem, akustischem Fortschritt alles auf der gleichen Hardware.

    Die Idee, daß der Antriebsmotor eines (spielerischen) Fortschritts stets mit Hardware-Aufrüstung zusammenhängt, ist eine Mentalität, die in den 90ern auf dem PC „durchgedrückt“ wurde. Mehr Megahertz, mehr Megabyte, bis hin zur heutigen Tragödie. Der SX25 ist da vielleicht noch ein gutes Zeichen dafür, daß es auch auf dem PC hätte anders laufen können.

    Ich persönlich sehe momentan keinen Grund, einen anderen Computer zu verwenden, gerade auch mit Blick auf das, was aus dem Hobby Computerei geworden ist.

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